Seit 2006 hat Ronald Kraaibeek beim SC Melk das Sagen, führte das Team zu zwei Meistertiteln und in die 2. Landesliga West. Dort scheiterte der Verein vergangene Saison nur knapp am Aufstieg, nach dem Vize-Meistertitel war die Erwartungshaltung für die Saison 2012/13 sehr groß. Die Realität schaut anders aus: acht Spiele, neun Punkte & Platz zehn. Im Interview mit unterhaus.at nimmt Kraaibeek zur aktuellen Situation & Stimmungslage Stellung.
unterhaus.at: Herr Kraaibeek, angesichts von neun Punkten aus den ersten acht Spielen kann der Saisonstart in Melk kaum als geglückt bezeichnet werden.
Ronald Kraaibeek (Foto rechts): "Natürlich haben wir uns den Start um einiges anders vorgestellt. Doch realistisch betrachtet haben wir in der Saison 2011/12 über unsere Verhältnisse gespielt. Auch ich hatte natürlich am Ende nichts gegen den Vize-Meistertitel einzuwenden. Die allgemeine Erwartungshaltung für die Saison 2012/13 war daher groß, nun ist die Enttäuschung umso größer. Erfolg ist nun mal nicht planbar."
unterhaus.at: Warum will es in der laufenden Saison einfach nicht so recht klappen?
Ronald Kraaibeek: "Es ist in einer Mannschaft, welche einen Erfolgslauf hat, für jeden Einzelnen leichter, mitzuspielen, als in einer Mannschaft, die dem Erfolg nachläuft. In der 2. Landesliga kannst Du nur mit 110 Prozent Einsatz Erfolg haben. Wenn manche glauben, dass 70 Prozent auch genügen, dann haben sie sich geirrt. Doch auch solche Phasen wie die jetzige gehören zum Fußball dazu. Dass man in solchen Zeit die Spieler und ihren Charakter noch besser kennenlernt, macht es auch interessant."
unterhaus.at: Nach einem kurzen Zwischenhoch mit vier Punkten aus zwei Spielen setzte es vergangenes Wochenende die 1:2-Niederlage in Herzogenburg. Ein herber Rückschlag für ihr Team.
Ronald Kraaibeek: "Wir hatten zweimal ganz okay gespelt, ich dachte, die Spieler haben es nun kapiert. Doch in Herzogenburg haben wir statt einen weiteren Schritt vorwärts wieder drei Schritte nach hinten gemacht. Wir sind wieder dort angelangt, wo wir vor ein paar Wochen schon mal standen. Wir sind am Papier besser aufgestellt als Herzogenburg, doch auf dem Platz zählt das nicht. Herzogenburg hat mehr Moral und Sieger-Mentalität gezeigt. Wir können uns ihre Leistung und ihren Willen als Vorbild für unsere bevorstehenden Aufgaben nehmen."
unterhaus.at: Welche Gedanken macht sich in solchen Phasen der Trainer?
Ronald Kraaibeek: "Sehr viele. Natürlich fragt man sich, ob in der einen oder anderen Situation eine andere Aufstellung Sinn gemacht hätte. Ob es besser gewesen wäre, einen jungen Spieler für seine Leistungen im Training zu belohnen und auf der anderen Seite aus einem arriverten Spieler noch mehr herauszukitzeln. Andererseits hatte das Team in der Vorsaison seine Leistung gebracht und sich so auch einen Bonus erarbeitet."
unterhaus.at: Der Absturz hat auch vor eurem Goalgetter nicht Halt gemacht. Im Vorjahr war Jürgen Schoderböck in der 2. Landesliga West mit 30 Toren der gefeierte Goalgetter. Heuer brachte es erst auf drei Treffer.
Ronald Kraaibeek: "Jürgen ist ein Stürmer, der es gewohnt ist, viele Tore zu schießen. Er ist ein Top-Spieler, muss darauf achten, dass er ruhig und im Kopf frei bleibt. Beginnen, sich Gedanken zu machen, ist oft der größte Fehler. Jürgen hatte ab der 4. Runde eine gute Phase, wo er in drei Spielen hintereinander traf. Im 7. Spiel fehlte er wegen einer Verletzung, dann kam Herzogenburg. Ich traue Jürgen durchaus zu, dass der Knoten platzt und er in den nächsten fünf Spielen zehn Tore schießt."
unterhaus.at: Der 10. Tabellenrang ist das ernüchternde Zwischen-Resultat nach acht Spieltagen, der Rückstand auf Leader Schrems beträgt elf Punkte. Ist der Titel noch immer ein Thema?
Ronald Kraaibeek: "Jetzt heißt es aufwachen. Neun Teams liegen vor uns, aber nur noch vier hinter uns. Wir brauchen derzeit nicht nach vorne zu schauen. Wir müssen aus den letzten fünf Spielen so viele Punkte wie möglich sammeln. Der Titel ist extrem weit weg. Jetzt heißt es um jeden Punkt kämpfen. Am Ende der Hinrunde werden wir dann sehen, ob wir uns im Frühjahr in Richtung Mittelfeld oder weiter nach oben orientieren können."
unterhaus.at: Wie reagiert das Umfeld in Melk auf diesen wenig berauschenden Start?
Ronald Kraaibeek: "Unser großer Vorteil ist, dass im Verein ein sehr vernünftiger Vorstand am Werk ist. Das ist auch die Basis für die Erfolge des SC Melk. Das fängt nicht beim Trainer oder bei der Mannschaft an. Das kann nur mit einer funktionierenden Klub-Führung klappen. Der Vorstand hat eine Ahnung davon, wie gewisse Dingen funktionieren sollen, bleibt auch in schlechteren Zeiten ruhig. Weil auch er weiß, dass verlieren mitunter dazu gehört."
unterhaus.at: Am Freitag steigt das nächste Spiel zu Hause gegen Aufsteiger Echsenbach. Ihr Team ist wohl zum Siegen verdammt.
Ronald Kraaibeek: "Es wird auch zu einer Frage der Ehre. Wenn Du Scheiß gebaut hast wie wir zuletzt in Herzogenburg, dann musst Du schleunigst um Wiedergutmachung bemüht sein. Wir haben eine Verpflichtung unseren Fans gegenüber. Wenn wir eine tolle Leistung bieten und ordentlich kämpfen, werden auch die Fans zufrieden sein."
unterhaus.at: Herr Kraaibeek, wir danken für das Gespräch.
Christian Reichel
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